Lohnen sich Balkonkraftwerke? – Ein Erfahrungsbericht
In den Medien oder in zahlreichen YouTube-Videos werden sie hoch angepriesen und als Antreiber der Energiewende für den kleinen Geldbeutel gelobt: die sogenannten Balkonkraftwerke, häufig auch als Mini-PV (Photovoltaik) betitelt. „Kaufen – Auspacken – Einstecken – fertig!“ So das Motto. Doch in genauerer Betrachtung der hiesigen Regularien ist das Verfahren deutlich komplizierter. Hier ein Erfahrungsbericht aus erster Hand.
Im Frühjahr 2022 habe ich den Entschluss gefasst, mir eine Mini-PV-Anlage anzuschaffen. Doch die erste Ernüchterung folgte bei der mangelnden Verfügbarkeit und den langen Lieferzeiten von etwa 12-20 Wochen für Komplettpakete. So habe ich die Komponenten separat per Internethandel und Kleinanzeigen erworben. Im Juni war dann alles beisammen – nur die erforderliche Einspeisesteckdose, Stromzähler, Genehmigung fehlten noch. Dazu unten mehr. Am Ende konnte ich Mitte August die Anlage offiziell in Betrieb nehmen.
Erforderliche Systemkomponenten
Beim Abspielen des Videos wird eine Verbindung zu YouTube aufgebaut.
Erklärvideo vom YouTube-Kanal „Der Fachwerker“
Für die „Balkonkraftwerke“ benötigt man folgende Teile und Komponenten:
- 2x Solarmodule
- Wechselrichter 600 Watt max.
- DC-Kabel mit MC4 Steckern für den Anschluss der Solarmodule an den Wechselrichter
- AC Kabel mit Wieland-Einspeisestecker (der klassische Schukostecker ist laut VDE nicht zulässig)
- Erdungskabel
- Befestigungsmaterial für die Solarmodule und Wechselrichter
- Wieland-Einspeisesteckdose an einem FI-Schutz-gesicherten Stromkreis (dies muss ein(e) Elektriker/-in dem Netzbetreiber bestätigen)
Dann kann es auch schon losgehen mit der Installation. Wie eben genannt, reicht bei den Kleinanlagen von max. 600 Watt die Bestätigung des VDE-konformen Anschlusses einer Wieland-Einspeisesteckdose durch eine elektrotechnische Fachfirma bzw. Fachkraft. Die anderen Arbeiten und Registrierung der Anlage beim Netzbetreiber können durch den Eigentümer selbst erfolgen. Dies ist allerdings auch der wesentliche Unterschied zu den „großen“ Solaranlagen mit mehr als 600 Watt: Dort muss die Elektroinstallation, Abnahme und Registrierung zwingend durch einen Fachbetrieb abgewickelt werden.
Weiterführende Informationen
- Stecker-Solaranlagen-Simulator der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
- Mini-PV Ratgeberseite beim VDE
- Ratgeber von Home & Smart
- Photovoltaikratgeber der Verbraucherzentrale
- Überblickseite der
WEMAG Netz GmbH (Netzbetreiber)
Formaler Ablauf
- Bestätigung der Installation einer Wieland-Einspeisesteckdose durch eine(n) Elektriker/-in
- Anzeige der Einrichtung einer Photovoltaikanlage bis max. 600 W beim Netzbetreiber
- Prüfung der „Netzverträglichkeit“ durch den Netzbetreiber, ggf. Austausch/Erneuerung des Hausanschlusses und Stromzählers
- Registrierung der Anlage beim Marktstammdatenregister
- Optional: Inbetriebnahmeprotokoll, falls Einspeisevergütung gewünscht (dieser Zeitpunkt definiert die Höhe der Einspeisevergütung)
Erste Erfahrungswerte zur Stromproduktion
Ich verwende einen Hoymiles-Wechselrichter. Für diese Geräte haben findige Bastler im Frühjahr 2022 das Funkprotokoll entschlüsselt, so dass man sich für ca. 20 Euro einen kleinen Mikrocontroller zum Auslesen der Leistungsdaten per WLAN bauen kann. Im Zusammenspiel mit einem kleinen Server mit HomeAssistant können die Daten protokolliert, überwacht und ausgewertet werden.
Ich habe zwei große Module mit je 375 Watt peak und einer Neigung von etwa 25° in Ausrichtung nach Süden. An sonnigen Tagen im Sommer generieren sie ca. 3 kWh am Tag. Im Spätherbst (Oktober) dann meistens nur noch 1 kWh pro Tag wegen der tiefer stehenden Sonne und vielen Wolken. An sehr verregneten Tagen kommen auch mal nur 300 Wh (=0,3 kWh) zusammen. Insgesamt erzeugen die Solarmodule aber sobald etwas Sonne darauf scheint genügend Strom, um unseren Grundbedarf des Hauses mit etwa 100 W zu decken. Wir haben eine mittlere Eigenverbrauchsquote von ca. 75%, d.h. das am Tag ca. 25% der erzeugten Energie in das öffentliche Netzt eingespeist werden. Diese Quote ist jedoch individuell sehr unterschiedlich und kann durch den ständig wechselnden Energiebedarf der Verbraucher (z.B. Waschmaschine, Geschirrspüler, E-Herd, Beleuchtung) und die Wetterverhältnisse (Sonne/Wolken) schwanken.
In der Summe kommen wir auf eine jährliche Stromkostenersparnis von etwa 100 Euro, bei viel Sonne vielleicht auch 150 Euro. Der Netzbetreiber hat die monatliche Vorauszahlung für die Einspeisevergütung aktuell auf 1 Euro pro Monat festgelegt.
In Betracht der Gesamtkosten für die Anlage von ca. 1000 Euro rechne ich mit einer Amortisation nach ca. 7 Jahren. Danach läuft die Anlage im Plus, ohne weitere laufenden Kosten zu verursachen. Jedoch sollte nach ca. 10 Jahren der Wechselrichter ausgetauscht werden, da hier ein gewisser Verschleiß und Alterungsprozess an der Leistungselektronik vorhanden ist. Die Solarmodule selbst sollten locker 30 Jahre halten.
Rückblickend lohnt sich bei unserem niedrigen Strombedarf von ca. 2500 kWh im Jahr eine große Solaranlage nicht wirklich, da hier Anschaffungskosten von 10.000 bis 15.000 Euro zu stämmen wären. Solche Anlagen sind vor Allem für Menschen mit höherem Stromverbrauch interessant, z.B. mit Boiler zur Warmwassererzeugung, Elektroauto oder Wärmepumpe. Hierbei ist ein großer Preistreiber der notwendige Stromspeicher, um das Überangebot an Energie vom Tag dann auch abend und nachts nutzbar zu machen. Diese Speicher kosten aktuell noch viel Geld und sind aufgrund der hohen Nachfrage nur mit langen Lieferzeiten zu haben.
Grundsätzlich empfehlen viele Solarpioniere, bei entsprechend vorhandenen Investitionmitteln das Dach auch mit möglichst vielen Solarmodulen zu bestücken. Denn zukünftig wird unser Strombedarf eher steigen. Und eine spätere Erweiterung von kleinen Systemen wäre dann wieder mit neuem Planungs- und Installationsaufwand verbunden.